Rapunzel February 21, 2024

„Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“

Wer kennt ihn nicht, diesen unreinen Reim, den sowohl die böse Hexe als auch der Prinz immer wieder aussprechen, damit Rapunzel ihr langes Haar wie eine Art Leiter vom Turm werfen kann, das als Leiter dienen soll? Der Inhalt von „Rapunzel“ ist allen bekannt und leicht erzählt: Dieses Märchen berichtet von einem Ehepaar, dem eine Schwangerschaft nicht gelingt. Als der Mann den Appetit der Frau mit Rapunzeln befriedigt, die er im Garten einer Zauberin holt, muss er ihr als Preis das erste Kind versprechen. Dieses wird dann auch prompt von der bösen Hexe in einen türlosen Turm eingesperrt – und die einzige Möglichkeit, in ihn hineinzugelangen, besteht darin, dass das Mädchen – Rapunzel genannt – auf Zuruf ihr langes Haar vom Dachfenster herunterlässt, damit man hinauf klettern kann. Eines Tages beobachtet ein Prinz die Hexe bei ihrem Tun und zieht sich zu dem schönen Mädchen hinauf – in das er sich natürlich sofort verliebt. Die Zauberin aber bemerkt ihn schließlich und jagt ihn in die Flucht, sodass er sich in einem Dornengestrüpp beide Augen verletzt und blind wird. Rapunzel wird indes in ein Gefängnis verbannt. Doch siehe: Nach vielen Jahren kommt der blinde Prinz vorüber und erkennt sie an ihrem Gesang wieder. Das rührt Rapunzel so sehr, dass sie zu weinen beginnt – und ihre Tränen waschen den Königssohn von seiner Erblindung rein. Heute ist der Mädchenname „Rapunzel“ weitgehend ungebräuchlich. Geblieben ist der Satz „Rapunzel lass dein Haar herunter“, auf den auch bei den Beschwörungen näher eingegangen wird. Die Bezeichnung „Rapunzel“ existiert jedoch weiterhin als ein wenn auch etwas veralteter Begriff für „Feldsalat“. Er wurde erstmals im 16. Jahrhundert erwähnt und war wohl eine mundartlich diminutive Ableitung vom italienischen Wort „Rapa“, was „Rübe“ heisst. 

Der Satz „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“ hingegen ist wohl einer der Bekanntesten aus der Sammlung der Gebrüder Grimm – und bis heute wird er in sämtlichen Kinderliedern und Märchenbearbeitungen, ja sogar in Disneyfilmen verwendet und weiter gesponnen. „Ich lasse mir keine grauen Haare wachsen“ (ein Synonym für: „ich mache mir keine Sorgen mehr“), „ein Haar in der Suppe finden“ (immer etwas auszusetzen haben), „haarscharf“ (gerade noch) an einer Katastrophe vorbeikommen – all diese Formulierung zeigen, wie wichtig dieser Bestandteil unseres Körpers war und ist. Auch die Formulierung „Mit Haut und Haaren“ – was soviel meint wie „ganz und gar“ ist bis in die Gegenwart hinein eine besonders beliebte. Jemanden „die Haare zurechtstutzen“, also jemanden maßregeln, kann auch in diesem Kontext gelesen werden – man nimmt ihm seine Fruchtbarkeit, sein Blühen, wie dem Feld das Korn. 

Bereits in Steinzeitkulturen wurde das Haar als der Sitz des Lebens und somit als Quelle der Kraft verstanden – und stand daher für Vitalität! Doch damit nicht genug: Das Haar der Frau signalisierte früher in erster Linie Schönheit und erotische Ausstrahlung, während der Bart des Mannes ein Symbol von Macht war. Haare mit magischer Macht finden wir also seit der Antike – sowohl in der Bibel als auch in vielen mythologischen Texten. Das mag der Grund sein, aus dem „Rapunzel, lass den Haar herunter“ immer noch gern zitiert wird, vor allem dann, wenn es darum geht, das Werben von Mann und Frau auszudrücken. Wen wundert es da, dass die eifersüchtige Hexe Rapunzel die Haare stutzt? Damit macht sie das Mädchen sozusagen „unerotisch“. Manche lesen Rapunzel auch als Sonnengöttin, die in ihrem Turm ist, also am Himmel steht, und ihre Haare – eine Metapher für die Sonnenstrahlen – herab lässt, wenn es Tag wird. Diese Motiv finden wir bereits bei Tertullianus im alten Griechenland. Rapunzel wird hier als Erdgöttin interpretiert, die ihre langen goldenen Haare in Form von reifem Getreide auf dem Feld ausbreitet – das dann im wahrsten Sinne des Wortes „geschoren“, abgeerntet, wird. Jemanden „die Haare zurechtstutzen“, also jemanden maßregeln, kann auch in diesem Kontext gelesen werden – man nimmt ihm seine Fruchtbarkeit wie dem Feld das Korn. Was die Bedeutung von Haaren betrifft, so hat sich deren erotische Symbolik bis in die Gegenwart hinein kaum verändert. Daher sind moderne Adaptionen des Märchens „Rapunzel“ nicht selten: Bei Katerine von Hutten beispielsweise berät ein Psychotherapeut ein altes Paar in „jugendlich-libidinöser Verstrickung“ und notiert danach: „Er nennt sie noch immer Rapunzel!“ Die Märchenfigur kommt auch in Kaori Yukis Manga „Ludwig Revolution“ vor. Das Setting, in dem das Mädchen lebt, vor allem aber auch das Haar-Thema fanden im Computersiel „The Witcher“, basierend auf der Geralt – Saga von Andrzej Sapkowski Eingang: Hier stößt man in einer Märchenwelt auf Rapunzels Turm. Doch Vorsicht: diese lebt nämlich nicht mehr! Da ihr Prinz an diesem zu Tode stürzte, hat sich das vereinsamte Rapunzel an den eigenen Haaren erhängt! Wie auch immer: Die Figur des „Rapunzel“ ist heute noch eine, die uns bis in die Gegenwart hinein oft begegnet. Der Satz „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“ ist wohl einer der Bekanntesten aus der Sammlung der Gebrüder Grimm- und bis heute wird er in sämtlichen Kinderliedern und Märchenbearbeitungen, ja sogar in Disneyfilmen wie in etwa in „Tangled“ verwendet und weitergesponnen. Die Wenigsten jedoch kennen die ursprüngliche Fassung dieses Märchens, die von der Französin Charlotte de la Force stammt. Ihr sei dieses Buch gewidmet.