Dialog mit Corona June 13, 2020
Projekt: Notation und Aufführung
„Das, was ich vage gemeint habe (und meist nicht einmal sprechenden Personen zugeordnet habe!), fließt quellenhaft in die Realität, die der Regisseur auf der Bühne schafft, ein, nicht als eine Ergänzung eines Textes, sondern als dessen Wirklichkeit.“
Elfriede Jelinek: Die Leere öffnen (für, über Jossi Wieler)
Der Schwerpunkt „Notation und Aufführung“ widmet sich, ausgehend vom Inszenierungscharakter und der jeweils spezifischen Materialiät von Elfriede Jelineks Texten sowie von ihren Techniken der Über- und Fortschreibung, den unterschiedlichen Notationsformen in den verschiedenen Künsten.
Das Spannungsfeld zwischen Notation und Improvisation, zwischen dem Text und seiner Aufführung bzw. dem Werk und seiner Inszenierung wird dabei sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch bzw. wissenschaftlich-künstlerisch erforscht.
Gefragt wird u.a. nach Unterschieden in der Materialität von textuellen, audio-visuellen und musikalischen, aber auch von nicht-abstrakten, körperlichen „Notationen“: Wie lässt sich die schöpferische bzw. archivierende Funktion von Aufzeichnungspraktiken in den unterschiedlichen Künsten beschreiben? Ist ein Werk erst im Moment der Aufführung „vollständig“? Welche Transformationen erfahren Notationssysteme im medialen Wandel?
Ein besonderer Fokus wird dabei auf Jelineks Arbeiten für das Theater, ihre Libretti für Musiktheater und Tanz, ihre eigenen Kompositionen und ihre Texte für die Kompositionen anderer Künstler*innen gelegt: Jelineks Bezüge zur Musik manifestieren sich nicht nur in ihren literarischen „Sprachpartituren“, sie komponierte auch selbst und verfasste Texte für Opern, Musik-und Theaterprojekte und beschäftige sich essayistisch mit dem Werk Franz Schuberts, den sie als ihren Lieblingskomponisten bezeichnete. Darüber hinaus nahmen zahlreiche Komponist*innen wie Patricia Jünger, Olga Neuwirth und andere Jelineks Werk zum Ausgangspunkt für ihre musikalische Arbeiten.
Der Forschungsschwerpunkt macht die bei Jelinek angelegte Verbindung zwischen Text und Musik und ihre intermediale und kunstübergreifende Vernetzung zum Programm und initiiert wissenschaftlich-künstlerische Arbeitsgruppen und interdisziplinäre und internationale Symposien und Workshops in Wien und New York sowie eine Ring-Vorlesung an der Universität Wien und der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.
Ziel ist es, neue Forschungspositionen und Ansätze an den Schnittstellen von Wissenschaft und Kunst zu entwickeln, die sich mit in experimentellen Forschungsformaten mit Manifestationsformen von „Notationen“ und dem Prozesscharakter von Aufführungen im Spannungsfeld zwischen Partitur und Körper, Schriftlichkeit und Mündlichkeit sowie Text und Ereignis befassen.
Das Projekt „Notation und Aufführung“ startet mit vier Arbeitsgruppen, die zu spezifischen Fragestellungen arbeiten und dabei wechselseitig die jeweiligen Teilergebnisse reflektierend miteinbeziehen. Die Arbeitsgruppen setzen sich aus Mitgliedern der Universität Wien, der Musik und Kunst Privatuniversität, International Scientific Partners des Interuniversitären Forschungsverbunds sowie externen Kooperationspartner*innen zusammen.
Die Ergebnisse der Projektarbeiten werden der Öffentlichkeit laufend im Open Access auf der Homepage des Interuniversitären Forschungsverbunds Elfriede Jelinek sowie auf einem neu angelegten Portal zu Wissenschaft und Kunst öffentlich gemacht. Am 18.6.2020 folgt eine multimediale Best-Off-Präsentation der bisherigen Arbeitsergebnisse des Schwerpunkts, mit Kommentaren von Peter Weibel und Sybille Krämer.
15.6.2020
Audiovisuelle Komposition
Dialog mit Corona
Von Dirk D’Ase, Sophie Reyer, Stefan Schweigert und Melanie Unseld